Mittwoch, 01.10.2025 | Sögüt – Ciftlik | 30 nm

Heute wollen wir früh los, wir haben 30 Seemeilen vor uns, also gibt es schon um 8.00 Uhr einen Kaffee und Frühstück. Öykü und Deniz kommen auf den Jetty, um sich von uns zu verabschieden, sie werden gleich vom Schulbus abgeholt. Wir drücken die beiden und wünschen ihnen eine schöne Winterzeit. Gülümser freut sich auf den Winter, Sabit, Tarek, Zerrin, alle sind ein wenig müde von der Saison und freuen sich auf die Zeit mit der Familie, auf’s Fischen, auf Gemüseanbau, auf ihre Ziegenherden, wo Milch und Käse produziert wird – es wird eine ruhigere Phase und die gönnen wir ihnen von ganzem Herzen.

Nach dem Frühstück bezahlen wir unsere Rechnung und verabschieden uns bis zum nächsten Jahr „Inschallah“ – so Gott will (ein schöner Ausdruck). Wir legen ab und fahren die erste Stunde unter Motor bevor wir die Genua setzen können. Dann haben wir herrlichen halben bis achterlichen Wind zwischen Symi und der türkischen Küste, am Kap von Bozukkale fahren wir eine Halse und cruisen mit 6 bis 7 Knoten an den beiden vorgelagerten Inseln vorbei Richtung Ciftlik. Ein herrlicher Segeltag und wir genießen jede der 30 Seemeilen. Kurz vor 15 Uhr kommen wir in die Bucht von Ciftlik hängen die Fender raus und machen die Achterleinen klar. Maradonna und Hassan sind am Steg und wir legen neben einer recht neuen Sun Odyssey 440 an, schick, aber irgendwie nicht unser Fall.

Nane holt erst mal ein Dondurma für alle und wir quatschen mit Hassan über das kommende Wetter. Er meint, er will bis morgen früh abwarten, um zu entscheiden, was sie machen. Auf jeden Fall müssen alle Boote vom Jetty und raus oder in der Bucht vor Anker. Evtl. muss er sogar die Holzplanken aus dem Jetty nehmen, damit die hohen Wellen bei Lodos aus Südost, ihm nicht die Bretter wegspülen. Nicht schön, denn Donnerstag ist der Tag, an dem in Ciftlik alle Stege im Normalfall voll sind, jeder, der am Freitag nach Marmaris zurück muss, kommt am Donnerstag nach Ciftlik – das bedeuten einen großen Umsatzausfall für den Tag, aber Sicherheit geht vor.

Wir gehen schwimmen und nochmal schwimmen, um es auszukosten. Am frühen Abend kommt noch ein sehr altes Schiff mit einem noch älteren Skipper neben uns, über 80, fast taub – Hassan gibt Anweisungen, vorwärts Gas, rückwärts Gas, Muring, Achterleinen – irgendwann liegen sie neben uns. Wir wollen wissen, wo sie herkommen. Direkt aus Rhodos, ohne einzuklarieren, ohne Transitlog, ohne Bluecard – das war vor 20 Jahren problemlos möglich, aber heute? Naja „not my circus, not my monkeys“ – also geben wir nur den Hinweis, das aktuell viel kontrolliert wird und lassen es gut sein.

Es windet stark, heute noch aus Nordwest und so sind alle Tische innen im Restaurant besetzt. Dirk entscheidet sich für Chicken Curry und Nane will heute mal Adana testen – spicy. Wir trinken noch ein paar Cay und checken das Wetter. Für die Nacht von Donnerstag auf Freitag ist Südost-Wind in Böen bis 30 Knoten mit Starkregen angesagt, also werden wir morgen am frühen Nachmittag aufbrechen. Diese Entscheidung treffen alle, die heute Abend da sind. Nur Erik will in der Bucht ankern und bleiben – Hassan meint, er wird ihm beim Ankern helfen und ihn mit Achterleinen an den Felsen auf der Ostseite der Bucht sichern.

Nane telefoniert noch mal mit Martin, Zneji geht morgen früh von Bord und er überlegt, wo er mit seinen „Jungs“, die nächste Woche kommen, überall hin kann. Sögüt, Kocabahce und Orhaniye sind sichere Plätze bei der aktuellen Vorhersage. Nane telefoniert noch mit Zneji und wir hoffen, dass wir uns evtl. im nächsten Jahr nochmal wieder sehen. Der Aufenthalt auf der Pamina Blue war für sie eher ein Arbeitseinsatz als eine schöne Segelwoche, zumindest die Abende mit uns waren ein Highlight.

Zurück an Bord gönnen wir uns noch einen Raki, chillen ein wenig im Cockpit und verkrümeln uns in die Koje als wir anfangen zu frösteln.

Dienstag, 30.09.2025 | Kocabahce Koyu – Sögüt | 13 nm

Der Wecker ist auf 7:30 Uhr gestellt, aber Dirk und Nane sind schon vorher wach. Die Nacht war laut, der Wind, die klatschenden Wellen und so wachen wir beide nicht gerade erholt auf. Wir machen alles klar zum Ablegen, Fenster zu, Polster rein, Handtücher rein, Dinghi festzurren, etc. Dann gehen wir ins Restaurant, um die Rechnung zu bezahlen und um uns zu verabschieden. Der Abschied fällt uns schwer, wir lieben diesen Ort und die Menschen hier. Nane bekommt von Berrin noch 4 Eier in die Hand gedrückt, dass sie für Dirk bitte ein Frühstück machen soll, wenn wir angekommen sind – aye aye „Berrin Sultan“.

Die Crew auf der Il Sogno ist auch wach und wir verabschieden uns bis spätestens Freitag. Hansi hat auch das Wetter gecheckt und ist froh, dass es nicht über 30 Knoten geben wird. Wir haben den Wind direkt auf der Nase und legen ab. Tarek und Serkan sind am Steg, um nach den Achterleinen zu schauen, dass sich nichts verheddert. Nochmal ein kurzes „Good Bye“ und wir sind unterwegs, es ist 8:20 Uhr – wie nach Plan. Nane holt die Fender rein und wir fahren aus der Bucht. Ganz schön viel Welle da draußen, aber handelbar. Wir setzen die Genua zunächst „Am Wind“ und haben schnell 7 Knoten Fahrt – die Pura Vida gleitet unter Segel viel besser durch die Wellen als unter Motor. Vorne am Kap können wir schon abfallen und cruisen mit 6,5 Knoten Speed an der Untiefen-Tonne vorbei, die wir auf Steuerbordseite lassen. Im Yesilova wird der Wellengang weniger und achterlich fühlt sich der Wind nicht mehr so heftig an, wie mit Kurs am Wind. Auf der Höhe der Einfahrt von Bozburun kommen wir in eine Art Windloch und müssen halsen, um wieder Fahrt aufzunehmen. Dann noch eine Halse und wir haben perfekten Kurs, um zwischen dem Kap und der kleinen Insel in die Bucht von Sögüt zu cruisen. Wir müssen anluven und nehmen noch die ein oder andere Böe mit für unseren Speed. Als wir die Segel einholen, werden wir von 4 Yachten unter Motor überholt, die eine fährt extrem knapp an uns vorbei – Idiot. Sie benehmen sich, als ob sie Angst hätten, dass wir ihnen den Platz am Steg streitig machen. Wir haben bei Captains Table reserviert und dieser Platz ist uns sicher, egal, was für einen Zirkus ihr hier veranstaltet… Dirk hat Sabit und Gülümser informiert, dass wir in 10 Minuten da sind. Sabit steht auf einem roten Fischerboot, das am Steg liegt und springt mit der Muring über. Dirk und Nane machen die Achterleinen und auch der Koch und der Papa stehen am Steg – wie nett. Um kurz vor 11 liegen wir am sicher verzurrt am Jetty – herrlich. Das ist eine herzliche Umarmung wert. Gülümser lädt uns ein, erst mal einen Cay zu trinken und serviert uns dazu eine Art Kuchen Keks geschichtet mit Schokolade – mega lecker. Nach der süßen Stärkung gehen wir in den Market und kaufen eine neue Gasflasche und holen ein Brot und laufen am Steg des Octopus entlang. Die Boote haben hier wesentlich mehr Bewegung durch Wind und Welle als bei uns – alles richtig gemacht. Jetzt will Dirk das Omelett aus den Eiern, die Berrin uns extra mitgegeben hat – bekommt er.

Nach dem späten Frühstück spritzen wir das Cockpit aus und das Salz der Wellen, die übergekommen sind. Danach gönnt sich Dirk ein Nickerchen….

Gegen 17.00 Uhr gehen wir noch eine Runde spazieren. Nane checkt das Wetter und entscheidet, morgen schon nach Ciftlik zu gehen. Dann kann man schauen, was das Wetter am Donnerstag und Freitag macht und hat keine langen Wege mehr zurück in die Adaköy. Jetzt noch ein Sundowner an Bord und dann ist es schon wieder Zeit, zum Abendessen zu gehen. Es windet stark, trotzdem sitzen wir auf der Terrasse des Restaurants und nicht innen hinter Glas. Nane entscheidet sich für Chicken Curry und Dirk für Tavuk Schnitzel, dazu Sigara Börek und Haydari. Nane teilt ihr Chicken Curry mit einer kleinen Katze und schaut sich die Wettervorhersage an. Um 22 Uhr soll der Wind einschlafen, Sabit lacht „Ja Abla, bestimmt.“ Was soll’s ändern können wir ja sowieso nichts. Dirk will heute keinen Raki als Absacker, das Wetter-Thema geht ihm auf den Keks – jetzt hatten wir die ganze Zeit wenig Wind zum Segeln und jetzt zum Ende soll es so viel werden, dass wir evtl. früher in die Marina müssen – nervig.

Sonntag, 21.09.2025 | Palamut – Kargi Koyu | 11,5 nm

Wir haben gut geschlafen und wurden nur einmal in der Nacht durch den ungebetenen Besuch einer Katze geweckt. Für eine Nacht war der Liegeplatz okay, länger hätten wir das nicht gebraucht. Kurz nach 8 Uhr ist der erste Kaffee fertig. Es gibt nur ein Müsli zum Frühstück. Nane schnappt sich eine Einkaufstasche und geht zum SOK-Market. Noch etwas Obst, einen Eimer Süzme Yoghurt, Ekmek und „Vogelfutter“ steht auf der imaginären Einkaufsliste. Zurück an Bord schreiben wir Gürcan, dass wir gegen 10 Uhr aufbrechen wollen, er aber nach der Hochzeitsparty gestern Nacht nicht extra zum Hafen kommen muss. Er antwortet, dass er sich verabschieden möchte. Wir sitzen noch ein wenig im Cockpit zusammen und quatschen. Nane fragt, ob er seine Freundin auch irgendwann heiraten möchte, er meint ja. Nane will wissen, ob sie eingeladen wird – klar doch, Gürcan gibt Bescheid, wenn es soweit ist. Er fragt noch, wo wir hinwollen und Nane checkt mit ihm Ankerbucht und Wetter. Wir verabschieden uns und versprechen, im nächsten Jahr wieder zu kommen – wir kommen ja nicht wegen dem Ort, sondern wegen der Menschen! Gürcan hat sich verändert, schlank, keine Zigaretten, kein Alkohol – sehr auf seine Gesundheit bedacht – das gefällt uns. Wir legen ab und winken, es fühlt sich komisch an, irgendwie emotional und ein wenig traurig. Seine Geschwister, seine Nichten und Neffen – alle haben diesen Ort verlassen. Er ist immer noch da und wird auch dableiben. Er kümmert sich um seine Eltern, ist immer greifbar, wenn sie etwas brauchen, aber seine Geschwister sind in den Erzählungen der Eltern die Helden, auf die man stolz ist. Alle sind schwer beschäftigt, keiner hat Zeit sich um die Eltern zu kümmern, „Gürcan macht das schon.“ Er meint, er ist der „Ärmste“ von seinen Geschwistern, die sich nicht wirklich dafür interessieren, wie er das immer größer werdende Thema – Pflege der Eltern – gemanaged bekommt und gleichzeitig seinen eigenen Job machen kann. Die Nachfrage nach Grundstücken und Häusern in Palamut hat drastisch nachgelassen, so dass auch hier gerade „Flaute“ herrscht. Das sind existentielle Sorgen, die wir uns aktuell nicht machen müssen, deshalb verdienen sie umso mehr unseren Respekt. Das Einzige, was wir tun können, weiterhin diese Freundschaft pflegen und wenn wir in der Nähe sind, vorbeizuschauen, zuzuhören und zur Aufmunterung ein paar Duplo mitzubringen.

Wir legen kurz vor 10 Uhr ab und nehmen Kurs auf das kleine Kap der Datca-Bucht. Wir wollen schauen, ob wir in Svens Lieblingsbucht einen Platz bekommen, das ist für Sonntag sicher kaum möglich, aber vielleicht haben wir Glück. Plan B ist die Kargi-Bucht unterhalb von Datca. Der Wind reicht nicht aus, um die Segel zu setzen, also motoren wir die 11,5 Seemeilen. Wie erwartet ist die Armutlusu Koyu voll belegt, also steuern wir die Kargi Koyu an. Wir ankern auf 6 Meter Tiefe mit 30 Meter Kette und fahren den Anker mit 2000 Umdrehungen gut ein. Dirk entdeckt eine kleine Meeresschildkröte und schnappt sich die GoPro und die Taucherbrille, um nach der Schildkröte zu schauen und den Anker zu checken, die Schildkröte hält sich in der Nähe des Ankers auf – zwei Fliegen mit einer Klappe. Dirk ist zufrieden, der Anker ist fett eingegraben im Sand – perfekt. Nane will es selber auch noch mal wissen und schaut sich den Anker an – passt. Das Wasser ist herrlich klar. Die Sonne reflektiert im Wasser, der Sandboden erscheint türkis – herrlich ist der richtige Ausdruck. Es ist auch für den Nachmittag und die Nacht kein wirklicher Wind angesagt, so dass wir hier frei schwojend liegen bleiben können. Wir schwimmen, hören Musik und chillen an Deck – fühlt sich an wie Urlaub.

Am Nachmittag bekommen wir ein wenig Hunger und Nane macht Ofengemüse mit Schafskäse und Fladenbrot – auch lecker. Gegen 16 Uhr kommen noch einige Ausflugsboote in die Bucht, laute Musik schallt zu uns rüber, aber kurz nach 17 Uhr sind sie wieder weg. Am Ufer sind ein paar türkische Badegäste zu sehen. Sie grillen und das erzeugt Rauch, der von der Straße aus gesehen wird, kurz darauf rückt die Feuerwehr an. Soweit wir das aus der Ferne beurteilen können, wird die Grillstelle am Strand begutachtet und für gut befunden, denn nach 20 Minuten rücken sie wieder ab und es wird weiter gegrillt.

Gegen Abend wechselt die Richtung des kaum vorhandenen Winds und wir drehen uns im Kreis. Nanes Anker-App behält das unter Kontrolle, so dass wir uns erst Gedanken machen müssen, wenn der Alarm losschrillt. Es steht etwas Schwell in die Bucht, das wäre ein Grund gewesen doch eine Landleine an die Felsen am Ufer zu spannen, doch da wenig Wind und somit auch wenig Schwell angesagt ist, lassen wir es für heute gut sein.

Die Sonne geht unter, der Blick Richtung Symi ist magisch – das Wasser und der Himmel bieten ein herrliches Farbenspiel von leuchtend orange bis zu pastelltönen in türkis und rosa. Nane fällt der Skipper der Salty Dog ein, der ihr 2006 vor ihrer praktischen SKS-Prüfung folgenden Satz mitgegeben hat: „Wenn Gott gewollt hätte, das Frauen segeln, hätte er das Meer rosa gefärbt.“ So lieber Salty Dog das ist der Beweis, das Wasser scheint pastellig hellblau und rosa – der liebe Gott hat es genauso gewollt! Wir überlegen, wie alt er jetzt wohl ist und denken nicht, dass er noch auf dem Meer unterwegs sein kann, denn er war schon vor 19 Jahren in Rente.

Wir genießen die Abendstimmung, bestaunen den Sternenhimmel, warten auf Sternschnuppen, die nicht kommen und gehen dann irgendwann in die Koje.